Gott gebe mir Gelassenheit...

Gott gebe mir Gelassenheit...

Jesus ist mit seinen Jüngern am See Genezareth. Es wird Abend und er möchte zum anderen Ufer übersetzen. Das ist nichts Ungewöhnliches. Es ist Alltägliches. Noch deutet nichts auf einen großen Sturm hin. Doch dann - sie sind mitten auf dem See - tobt er ganz plötzlich los, der Sturm. Seine Jünger sorgen sich. Schon schlagen Wellen über Bord und in kürzester Zeit ist der Bug des Bootes voll Wasser. Sie können keine Hoffnungszeichen am Horizont erkennen. Es wird immer schlimmer. So etwas haben sie noch nie erlebt. Sie müssen erkennen, dass sie gegen die Mächte und Gewalten des Sturmes machtlos sind. Ihre Seemannskunst versagt. Und was macht Jesus? Er schläft. Da tobt das Meer, Urgewalten bäumen sich auf und das Boot ist kurz vor dem Sinken. Und Jesus? Er schläft. Er ist ganz gelassen, gelassen bei Gott - bei Gott gelassen.

Solch eine Gelassenheit wünsche ich uns, wenn nach dem Alltäglichen plötzlich die Lebensstürme lostoben, wenn die Wellen hochschlagen und die eigene Lebenskunst versagt. Dann wünsche ich uns, bei Gott gelassen zu sein. Der deutsche Mystiker Meister Eckhart meint in diesem Zusammenhang, dass der Mensch Gott selbst „lassen“, sozusagen sein Leben in Gottes Hand loslassen sollte. Weiter sagt er, dass man erst „lassen können“ muss, um gelassen zu sein. Jesus jedenfalls war bereit, sein Leben loszulassen. Dies wird an vielen Stellen seines Lebens deutlich: „Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe!“

Manchmal tut das Eingeständnis gut, dass es in unserem Leben Situationen gibt, die wir beim besten Willen nicht ändern können. Dinge oder Situationen, die ich in Machtlosigkeit hinnehmen muss. Oft aber meinen wir, wir könnten die Dinge mit Sorgen und Grübeln ändern. Dann liegen wir wach und denken und denken und denken. Gedankenkarussell. Die Sorgen kommen und drehen sich im Kreis. Sie beherrschen uns und machen uns die Nacht zur Qual. Ängstlich fragen wir uns: „Wie wird es morgen werden?“

Aber Jesus hält nichts davon: „Und wenn ihr euch noch so sorgt, könnt ihr euer Leben auch nicht um einen Augenblick verlängern“ (Matth. 6,27). „Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat“ (Matth. 6,34). Man kann eh nichts ändern, also bringen auch alle quälenden Gedanken nichts. Alles Sorgen ist umsonst. Allerdings ist selbstergebene Passivität nicht immer ein guter Weg. Oft haben wir Möglichkeiten, die Dinge zu ändern, das Richtige im richtigen Moment zu tun. Wir haben Verantwortung und dürfen uns nicht hinter einer bigotten Frömmigkeit verstecken. Was aber ist das Richtige und wann ist der richtige Moment? Wann kann ich was ändern und wann nicht? Diese Fragen sind oft sehr schwierig. In solchen Situationen hilft mir das bekannte Gebet des amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr:

„Gott gebe mir die Gelassenheit Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

In diesem Sinne wünsche ich euch Gelassenheit und Weisheit das Richtige zu tun.

Elmar Spohn

(D.Th., University of South Africa) war acht Jahre Missionar in Tansania und ist seit 2013 Dozent für interkulturelle Studien bei CIU Korntal.

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01.10.2016