Verschiebungen, Erschütterungen und ein unerschütterliches Reich!

Verschiebungen führen zu Erschütterungen, wie das Erdbeben im Februar auf schreckliche Weise veranschaulicht hat. Aber das Bild der Plattentektonik lässt sich auch auf die gesellschaftlichen Veränderungen verwenden, welche die Christenheit prägen. Ich sehe drei Verschiebungsbewegungen, die ineinandergreifen und ein komplexes Spannungsfeld aufbauen: Der kulturelle Wandel von Generation zu Generation ist die sichtbarste und schnellste Verschiebung, eine Sache von zwei oder drei Jahrzehnten. Nie zuvor hatte eine Generation einen so immensen Informationszuwachs zu verarbeiten. Die zunehmende Veränderungsgeschwindigkeit, die Unendlichkeit der Wahlmöglichkeiten, die dystopischen Visionen von der Zukunft prägen junge Christen heute. Gemeinden, christliche Werke und theologische Ausbildungseinrichtungen fragen sich:

Wie kann die junge Generation gewonnen werden, um bestehende Gemeinden und Werke fortzuführen? Oder werden sie neue Wege gehen und wenn, welche? Dabei erlebt die junge Generation auch die volle Wucht von zwei weiteren Verschiebungen.

Als zweite Verschiebung ist der Übergang von der Moderne zur Postmoderne zu nennen, dem weltanschaulichen Klimawandel des letzten Jahrhunderts. Dies ist eine Veränderung, die den christlichen Glauben mehr und mehr wie ein Relikt des fossilen Zeitalters erscheinen lässt. Die Wahrheit weicht der persönlichen Perspektive, das Evangelium dem Entertainment, das Denken dem Gefühl und die Suche nach dem Sinn des Lebens wird von der fortwährenden Konstruktion der eigenen Identität als Lebensinhalt ersetzt.

Diese beiden Verschiebungen sind eingebettet in den langwierigen aber nachhaltigen Übergang von einer Christentumsgesellschaft hin zu einer nachchristlichen Gesellschaft (eng: Christendom => Postchristendom). Die einst dominanten Kirchen stehen längst im Schatten von Tempeln, die Konsum und Kapital geweiht sind. Heute definieren Bildungseinrichtungen und Medienmacher neue moralischen Codes und bestimmen die Normen dessen, was es heißt, ein guter Mensch zu sein. In der Dienstleistungsgesellschaft wird die Nächstenliebe als sozialer Service kommerzialisiert und Seelsorge von der Therapie ersetzt. Dieser Umbruch ist die Herausforderung des Jahrtausends, er bedeutet das Ende der konstantinischen Ära. Das hat auch seine guten Seiten. Denn damit geht eine durchaus problematische Rolle der Kirche als Machtinstanz zu Ende und bietet eine neue Chance, politische Herrschaftsansprüche nicht mehr mit dem „Reich Gottes“ zu verwechseln.

Die Gleichzeitigkeit dieser drei Verschiebungsbewegungen erzeugt eine ungeheure Spannung und die junge Generation lebt direkt an den Verwerfungslinien. Woran kann sie sich orientieren? Es ist der Blick auf Jesus, der in Hebräer 12 als Anfänger und Vollender des Glaubens vorgestellt wird. Sein Tod und seine Auferstehung waren von Erdbeben begleitet (Mt 27,51; Mt 28,2). Das sichtbare Aufrichten seines Reiches wird von Erdbeben angekündigt werden (Mk 13,8; Off 16,18; u.a.). Hebräer 12 nimmt das ebenfalls auf und erklärt, was der Zweck dieser Erdbeben sein wird: „Das wird dazu führen, dass das, was nicht ins Wanken gebracht werden kann, fest steht“ (Hebr 12,27; Das Buch) und fährt dann fort: „Darum, weil wir ein Reich empfangen, das nicht erschüttert wird, lasst uns dankbar sein und so Gott dienen mit Scheu und Furcht, wie es ihm gefällt, denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.“

Hebräer 12 richtet unseren Blick felsenfest auf Jesus, auf sein Beispiel als Überwinder und ruft zu einem heiligen gottgeweihten Leben auf. Der Ausblick auf Gottes unerschütterliches Reich mit Jesus auf dem Thron ist und bleibt die Hoffnung für jede Generation von Nachfolgern Jesu. Dieser Ausblick war Kompass für die ersten Jünger und einer ganzen Wolke von Zeugen seither. Der Hebräerbrief ruft auf, im Hier und Jetzt so zu leben, wie es diesem kommenden Reich entspricht. Die junge Generation steht also vor der Aufgabe, das ureigenste Wesen von Gemeinde Jesu als Salz der Erde und Stadt auf dem Berg neu zu entdecken, ganz unverschämt eine alternative Jesus-Ethik zu leben und als Teil ihrer Sendung alles zu halten, was Jesus befohlen hat. Und das in der Gewissheit, dass ihm alle Macht gegeben ist, im Himmel und auf Erden, und dass er mit seinen Nachfolgern ist, bis an das Ende der Welt.

Tobias Menges

Dekan – CIU Korntal

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